Emotionen und Beziehungssignale

  • Emotionen und Beziehungssignale

    Veröffentlicht von MarcusRaible auf 26. November 2023 um 20:48

    Eltern wünschen sich immer das Beste für ihre Kinder, daher strengen wir uns immens an. Aber genau dies führt zu einem der häufigsten Kommunikationsfehler zwischen Erwachsenen und Kindern. Das Kind hat aufgrund seiner Entwicklung und fehlenden Lebenserfahrung nur in seltenen Fällen die Möglichkeit, über das rationale System zu lernen. Das tragende System, über das Kinder lernen, ist das emotionale System. Alles Erlebte wird mit Emotionen abgeglichen und wenn etwas als angenehm empfunden wurde, steigert dies den Wunsch nach Wiederholung. Sobald sich etwas schlecht anfühlt, beginnt die Tendenz zur Vermeidung. Dass Kinder für einen späteren Beruf lernen, für Familie, dass sie für sich und nicht für die Eltern lernen, wird bei Kindern in den seltensten Fällen zu einer Steigerung der Lernmotivation führen. Im Gegenteil, besonders bei Jungs führt dies mehr zu Widerständen. Mädchen sind in der Regel etwas früher entwickelt, wollen häufiger gefallen und bekommen sich besser reguliert. Ihnen gelingt es tendenziell besser durch Zuhören zu lernen. Dennoch wollen viele Kinder erleben, emotional wahrnehmen, was für sie richtig ist, wollen die eigenen Erfahrungen mit dem Erlebten koppeln. So können sie sich mehr Gewissheit und mehr Sicherheit bezüglich richtig oder falsch verschaffen.

    Das bietet in der Kommunikation allerdings auch eine sehr gute Möglichkeit, Kinder über die echten Gefühle der Eltern lernen zu lassen. Daher ist es wichtig, dass alle Eltern auf ihr Bauchgefühl achten und dieses nicht aus Mitleid oder einem „Schonprogramm“ heraus verzerren. Es ist entscheidend, dass Eltern nicht aggressiv oder enttäuscht reagieren, sondern klar. Klar bedeutet, dass sich Eltern ihrer Gefühle in dem Moment bewusstwerden, indem ein Kind etwas richtig macht oder ein unerwünschtes Verhalten zeigt. Je nachdem, welche Gefühle die Bezugspersonen bewusst oder unbewusst empfinden, werden die Beziehungssignale erst dann authentisch beim Kind ankommen, wenn die Gefühle auch zu dem Gesagten passen. Kinder sind evolutionär bedingt auf unsere Beziehungssignale als Rückmeldung angewiesen. Aber, wenn wir uns die Begeisterung als Emotion der Freude richtig bewusst machen, das Kind anschauen und dann unsere Begeisterung mitteilen, dann werden wir als Bezugsperson auch das Kind erreichen. Genauso wichtig ist es, sich die Unzufriedenheit bewusst zu machen und diese klar und frühzeitig zum Ausdruck zu bringen. Warten wir zu lange, werden unsere Emotionen in Frustration und Aggression umschlagen und Eltern werden schreien oder passiv-aggressiv enttäuscht sein. Beides beeinflusst die Bindungsqualität negativ und führt auf der Beziehungsebene in eine Abwärtsspirale.

    Daher empfehle ich allen Eltern:

    Üben Sie Ihre Emotionen klar und rechtzeitig auszudrücken. Warten Sie niemals zu lange, denn so würde Ihr Kind Verhaltensweisen entweder nicht erlernen oder jene ausleben, die Sie zum einen nicht wollen und zum anderen legen Kinder aufgrund von Wiederholungen unbewusste Verhaltensmuster an, die Sie zu einem späteren Zeitpunkt noch emotionaler bestrafen.

    Tipp:

    Üben Sie Ihre Beziehungssignale mit Ihrer Partnerin bzw. mit Ihrem Partner und fragen Sie anschließend, ob Ihr Gegenüber Ihr Lob oder Ihre Grenzsetzung annehmen konnte.

    Wenn Sie sich für die biologischen Hintergründe interessieren, empfehle ich das Buch „Oxytocin, das Hormon der Nähe“.

    Janine_Hodgkin beantwortet vor 6 Monate, 3 Wochen 2 Mitglieder · 2 Antworten
  • 2 Antworten
  • MarcusRaible

    Mitglied
    11. Mai 2024 um 13:04

    Was verstehen wir in der modernen Erziehung unter “Verstärkung von Verhalten”?

    Verstärkung von Verhalten ist das Auslösen guter Gefühle im Kind, in Zusammenhang mit einem gerade vorangegangenen Verhalten des Kindes. Dabei spielt es keine Rolle, ob das gezeigte Verhalten des Kindes in den Augen der Eltern richtig oder falsch war. Lösen also die Reaktionen der Umwelt im Kind gute Gefühle aus, wird das gerade gezeigte Verhalten verstärkt.

    Erwünschtes Verhalten:

    Macht ein Kind etwas richtig oder sind wir vom Verhalten des Kindes begeistert, löst unsere Zuwendung und Begeisterung im Kind ein gutes Gefühl aus. Hier sprechen wir vom klassischen Loben.

    Unerwünschtes Verhalten:

    Zeigt ein Kind jedoch Verhaltensweisen, die Eltern nicht gut finden und reagieren Eltern trotzdem warm und zugewandt, dann verstärken Bezugspersonen auch das unerwünschte Verhalten. Aber warum kann das Eltern immer wieder passieren?

    Eltern lieben ihre Kinder und wollen es ihnen auch zeigen. So glauben viele Erwachsene, wenn sie nur lange genug freundlich und zugewandt bleiben, dann wird sich das Verhalten des Kindes schon so verändern, wie Eltern es sich wünschen. Dies kann funktionieren, tut es aber bei sehr vielen Kindern nicht.

    Viele Eltern werden jetzt denken, aber ich setze doch Grenzen und sage meinem Kind auch, was ich nicht möchte. Und das ist auch richtig. Jedoch hat sich über 20 Jahre berufliche Erfahrung gezeigt, dass Eltern die Grenzen zu spät setzen und Fehlverhalten zunächst doch verstärken. Erst wenn ein Fehlverhalten schließlich zu häufig und gesteigert vom Kind gezeigt wurde, werden Eltern in der Grenzsetzung etwas klarer. Dies bedeutet aber auch, dass Bezugspersonen zunächst das Verhalten bei Kindern unbewusst aufbauen und zu lange tolerieren, um es zu einem späteren Zeitpunkt wieder begrenzen zu müssen, wenn es zu auffällig wird.

    Meine Tipps für die Grenzsetzung:

    Liebe und Verhalten sind völlig unterschiedliche Themen. Der folgenden Satz soll dies verdeutlichen:
    (…Mein Kind…), ich liebe dich über alles, aber das Verhalten, das du gerade gezeigt hast, war nicht in Ordnung. Kinder sind somit auf eine klare Rückmeldung angewiesen, die auf Liebe basiert.

    Wichtig ist dabei: Bringen Sie Ihre Gefühle bei der Grenzsetzung klar zum Ausdruck und übergehen Sie Ihre Gefühle möglichst nie. Tun Sie dies unbewusst trotzdem zu lange, werden Sie Emotionen von Wut spüren. Darunter würde auf Dauer die Bindungsqualität leiden. Übergeht Ihr Kind Ihre Grenzen jedoch immer wieder, sollten Sie sich die Ursachen genauer anschauen.

    • Diese Antwort wurde in vor 6 Monate, 3 Wochen um  MarcusRaible geändert.
    • Janine_Hodgkin

      Mitglied
      13. Mai 2024 um 11:40

      😍 gefällt mir sehr gut, Marcus!

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