Autismus aus der Perspektive des Erlebens

  • Autismus aus der Perspektive des Erlebens

    Veröffentlicht von MarcusRaible auf 1. Mai 2024 um 20:45

    Grundlegende Informationen über Autismus haben wir oben unter Therapie und Training beschrieben.

    Wie erleben neurodivergente Kinder und Erwachsene ihren Alltag?

    Menschen mit der Neurodivergenz ASS nehmen alle Informationen, die über die Sinnesorgane aufgenommen werden, viel sensibler, stärker und ungefilterter auf als Menschen ohne Autismus. Im Grunde werden dadurch alle visuellen und auditiven Reize oder Gerüche, Geschmäcker oder das Empfinden über die Haut viel stärker empfunden. Menschen mit Autismus sehen sich einer ständigen Reizüberflutung ausgesetzt. Auch wenn die Art der Empfindung bei jedem Kind oder Erwachsenen mit ASS anders verarbeitet werden, kann man doch sagen, dass die Summe aller Reize deutlich stärker wahrgenommen werden.

    Was bedeutet dies nun für Menschen mit ASS? Stellen Sie sich vor Sie befinden sich im Ausland in einem Verkehrschaos, die Straßen sind sehr voll und alle wollen schnell von A nach B. Sie sind schon mit den Verkehrsregeln, den Eindrücken der Umgebung und dem Versuch die richtige Route einzuhalten stark gefordert. Jetzt ist das Auto aber ein Leihwagen und der Beifahrer möchte sich mit Ihnen unterhalten, Sie versuchen parallel das Navigationsgerät zu bedienen, die Kinder hinten auf der Rückbank streiten sich, welches Spiel sie spielen wollen und der Beifahrer sagt: ,,Schau mal da, dass musst du einfach gesehen haben.” Sie werden aber links und rechts überholt und haben vergessen eine Vollkaskoversicherung zu unterschreiben. Und zu guter Letzt, befinden Sie sich im Linksverkehr!! Was denken Sie, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie gleich emotional überreagieren?

    Menschen mit Autismus befinden sich je nach Ausprägung ständig in einer Reizüberflutung. Wird es ihnen zu viel, können Mitmenschen und Bezugspersonen etwas erleben, das auch “Meltdown” genannt wird. Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung können in diesen Momenten die Kontrolle über ihr Verhalten verlieren, schreien, schlagen, schimpfen oder werfen Gegenstände durch die Gegend.

    Im Umgang mit Kindern, die von ASS betroffen sind, stellt das die Eltern vor besondere Herausforderungen. Besonders in unserem schnelllebigen Alltag, der von Reizen nur so überflutet wird, ist es wichtig das Wesen eines Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung zu verstehen.

    Viele Menschen mit Autismus versuchen daher die schlechten Gefühle der Überforderung zu vermeiden und versuchen möglichst viel Kontrolle über ihren Alltag zu bekommen. Hier reicht das Spektrum von einem “Bestimmen” und “Dominieren” der Situationen, bis komplexe Zwangshandlungen. Dementsprechend möchten sich Menschen mit Autismus auch nicht so gerne auf spontane Situationen einlassen und verweigern sich schon bei kleinen Veränderungen. Auch hier besteht eine hohe Individualität im Erleben der einzelnen Personen. Es gilt herauszufinden, wie jeder neurodivergente Mensch seine Umwelt verarbeitet und sich darauf einzustellen. Denn zunächst besitzen Kinder aber auch Erwachsene, je nach Trainingsstand, nicht die Flexibilität ihren Bezugspersonen gerecht zu werden.

    Daraus lassen sich schon einige klare Arbeitspunkte im Umgang mit ASS ableiten. Für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung sind daher folgende Punkte wichtig:

    • Sie brauchen Reizarmut, um sich zu entspannen, weniger ist für sie mehr.
    • Das Handlungstempo im direkten Umgang sollte sehr langsam, ruhig und entspannt sein. Also langsames Sprechen, wenige Informationen auf einmal usw.
    • Sie möchten gerne ihren Gewohnheiten nachgehen, da sie sich damit sicher fühlen.
    • Veränderungen sind gut abzuwägen und in der Anforderung dem Trainingsstand jedes einzelnen Menschen mit Autismus anzupassen.
    • Was den Bezugspersonen langweilig erscheint, z.B. immer wieder das Gleiche erleben zu wollen, können Menschen mit ASS genießen.
    • Es macht keinen Sinn aggressiv oder enttäuscht zu reagieren und dass Verhalten von autistischen Menschen persönlich zu nehmen. Es macht ausdrücklich Sinn daran zu arbeiten, diese Menschen besser zu verstehen.
    • Aufgrund des weitgefächerten Spektrums, egal ob Frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom oder Atypischer Autismus, ist es entscheidend über den aktuellen Entwicklungsstand und das Leistungsprofil Bescheid zu wissen, damit ein guter Umgang und eine gezielte Förderung gelingen können.
    • Aufgrund des Erlebens und Verhaltens autistischer Menschen, ist eine Aufklärung in der Familie, z.B. unter den Geschwistern sinnvoll.
    • Der Alltag sollte gut strukturiert sein, wiederkehrende Alltagsabläufe und Rutinen helfen bei der Bewältigung individueller Anforderungen.

    Dies sind nur einige wichtige Punkte zum Einstieg in das Thema einer Autismus-Spektrum-Störung und wie der Entwicklungsprozess dieser Menschen begleitet werden kann.

    MarcusRaible beantwortet vor 7 Monate, 3 Wochen 1 Mitglied · 0 Antworten
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