Ergotherapie

AD(H)S Im Kindes- und Jugendalter

Ergotherapie und Training bei AD(H)S Im Kindes- und Jugendalter

Als Therapeuten nehmen wir im Umgang mit AD(H)S eigene Sichtweisen und Rollen ein. Einerseits verfolgen wir fortlaufend wissenschaftliche Erkenntnisse, um diese alltagstauglich in unsere Behandlungen einzubringen, andererseits erleben wir viele Unterschiede bei Menschen mit AD(H)S und müssen schauen, was für den einen im Training funktioniert und was für den anderen nicht. Das Thema AD(H)S könnte daher nicht vielseitiger und individueller sein.

Wir erleben AD(H)S als eine Neurodivergenz, nicht als eine Störung. Denn wir erleben immer wieder, dass unter bestimmten Bedingungen mehr oder weniger  AD(H)S- Symptome beobachtbar sind. Die Fragen, die wir uns immer wieder stellen sind: 

Und wir haben noch viele weitere Fragen.

AD(H)S ist für uns Therapeuten eine andere Art Mensch zu sein, denn Betroffene erleben ihre Welt anders. Dabei werden drei Arten unterschieden:

Natürlich gibt es Menschen mit AD(H)S, die in gewisser Weise Schwierigkeiten mit ihrem eigenen Sein haben. So kann es aber auch Menschen geben, die nicht von AD(H)S betroffen sind, und trotzdem ähnliche persönliche Herausforderungen haben.

Menschen mit AD(H)S haben ganz eigene Stärken, aber auch typische Schwächen, die untrainiert das Leben tatsächlich deutlich erschweren können. Werfen wir einen Blick auf die Stärken, Schwächen und die Sinnhaftigkeit einer medikamentösen Unterstützung:

Aufgrund bestimmter Faktoren, wie z.B. der Konzentration des Neurotransmitters Dopamin im Synaptischen Spalt, fällt es Menschen mit AD(H)S schwerer, sich für Aufgaben oder Themen zu motivieren, die nicht dem eigenen Interesse entsprechen oder unwichtige Reize zu filtern. Dadurch gelingt es ihnen weniger, sich zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum zu halten. Davon sind auch die Selbstorganisation oder das Zeitmanagement betroffen. In solchen Situationen erleben Menschen mit AD(H)S eine deutlich höhere Anstrengung, um Leistungen abzurufen.

Wenn sie sich jedoch mit Aufgaben beschäftigen, für die sie sich interessieren, können Menschen mit AD(H)S sogar einen Hyperfokus entwickeln, was dazu führt, dass sie sich über Stunden mit einem Thema beschäftigen und kaum davon lösen können. Sobald sie jedoch das Interesse wieder verlieren, lassen sie sich nur noch schwer für das Thema motivieren. Wenn sie sich dennoch mit der Aufgabe auseinandersetzen müssen, kann man beispielsweise folgende Verhaltensweisen beobachten:

Kurze Aufmerksamkeitsspanne, hohe Ablenkbarkeit

Motorische Unruhe

Motorische Unruhe

Emotionale Schwankungen

Diese beispielhaften Verhaltensweisen führen zu einem ungünstigen Lern- und Sozialverhalten, die den Aufbau wichtiger Automatismen für das Erlernen von Lesen, Schreiben, Rechnen und sozialer Kompetenzen und das Erledigen verschiedener Alltagsaufgaben erschweren. Aufgrund von Misserfolgen und Missverständnissen fühlen sich Menschen mit AD(H)S ungerecht behandelt, was wiederum zu einem gesteigerten Gerechtigkeitssinn führen kann.

Sobald Menschen mit AD(H)S aber mit ihren Interessen in Kontakt kommen, zeigen sie oft außergewöhnliche Fähigkeiten:

Fazit:

Mit den aktuellen schulischen und alltäglichen Anforderungen kommen Menschen mit AD(H)S oft schwerer zurecht, wenn es sich um Kulturtechniken handelt, für die sie sich nicht interessieren.

Befinden sich Menschen mit einem AD(H)S-Gehirn aber in ihrem Element, beschäftigen sie sich mit ihren Interessen, dann können sie Höchstleistungen vollbringen. 

Es muss daher unsere Aufgabe als Gesellschaft sein, Menschen die anders wahrnehmen, anders empfinden und verarbeiten zu verstehen, Angebote zu machen, die ihre Entwicklung in besonderer Weise unterstützen, sodass mehr Menschen mit AD(H)S ihr Potential entfalten können und die Gesellschaft mit ihren Ideen und Fähigkeiten bereichern. 

Warum und wann eine medikamentöse Einstellung?

AD(H)S- Gehirne sind sehr vielseitig. Es gibt ein großes Spektrum von leichten Formen bis sehr ausgeprägten Verhaltensweisen. Nicht jeder Mensch mit AD(H)S benötigt daher ein Medikament. Die Entscheidung, ob ein Mensch ein Medikament nehmen sollte, hängt im Wesentlichen von Kosten-Nutzen-Faktoren ab. Medikamente können Nebenwirkungen haben, wie z.B. Appetitlosigkeit oder eine Verminderung der eigenen Kreativität. 

Wenn aber der Leidensdruck im Schulalltag oder im Alltag eines erwachsenen Menschen dazu führt, dass das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen und damit die Lebensqualität aufgrund von Selbstzweifeln eingeschränkt wird, wenn sich Menschen wie aufgezogen fühlen, sie nicht mehr zur Ruhe kommen, dann ist der Nutzen des Medikaments höher, da er beispielsweise einer Eigenmedikation und/oder einer psychischen Erkrankung vorbeugen kann. 

Wenn ein Medikament dabei helfen kann, dass Kinder den Unterricht besser verarbeiten, sie sich als erfolgreich erleben und soziale Signale besser wahrnehmen können, dann können Medikamente in vielen Fällen eine gute Entscheidung sein. 

In sehr seltenen Fällen gibt es auch eine medikamentöse Unverträglichkeit. Die Ärztin oder der Arzt klären hier auf und beraten Familien und Erwachsene, wann genau ein Medikament sinnvoll ist, ob es alternative Produkte gibt und in welcher Form es eingenommen werden sollte und wann nicht. 

Nicht jeder Mensch mit AD(H)S benötigt ein Medikament. Schlechte Schulnoten, soziale Konflikte und Missverständnisse können jedoch insgesamt zu einem Fehlstart in Schule, Ausbildung und Beruf, aber auch in der Familie führen, was ein kombiniertes Verhaltenstraining mit medikamentöser Unterstützung heutzutage in der Regel verhindern kann.

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